Wir haben Pierre Rangosch interviewt, der seit einigen Jahren das Persönliche Budget nutzt:
„Ich kann selbst entscheiden wie, wo und wann ich was möchte“
Das Persönliche Budget (PB) ermöglicht es Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt zu leben und das zum Beispiel in einer eigenen Wohnung. Das PB ist ein wichtiges Instrument der Eingliederungshilfe, was jeder Mensch mit Behinderung beantragen kann. Seit 2008 hat jeder Mensch mit Behinderung einen rechtlichen Anspruch auf das PB (Sozialgesetzbuch IX, §29).
Wir haben mal nachgefragt: Wie lebt es sich mit dem Persönlichen Budget? Wie ist der Weg dahin? Welche Vorteile hat das PB und welche Hürden gibt es bei der Beantragung? Pierre Rangosch ist 34 Jahre alt und nutzt das PB seit über vier Jahren. Er hat uns von seinen Erfahrungen berichtet.
Wie haben Sie von dem Persönlichen Budget erfahren?
Ein Bekannter, der schon länger das Persönliche Budget nutzt, hat mir davon berichtet. Daraufhin habe ich mich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt. Zum Beispiel habe ich mich bei der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstelle in meiner Stadt dazu beraten lassen.
Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, welche meine Pflege auf Grund ihres Alters nicht mehr leisten konnten. Daher musste eine andere Lösung her. Ich habe mir verschiedene Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen angeschaut, aber ich wusste: Da werde ich nicht glücklich!
Wir Menschen mit Handicap können, so wie jeder andere Mensch, selbst entscheiden wie wir leben wollen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, in eine eigene Wohnung zu ziehen und das Persönliche Budget zu beantragen, denn so kann ich selbst entscheiden wer mich wie, wo und wann unterstützt.
Wie nutzen Sie das Persönliche Budget?
Es gibt verschiedene Varianten des Persönlichen Budgets. Ich nutze das PB im sogenannten „Arbeitgebermodell“, das heißt ich bin der Arbeitgeber für meine Assistenzen. Die Kosten zahlt der zuständige Kostenträger, das ist bei mir der Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Zurzeit beschäftige ich fünf Assistenzen, die mich in meinem Alltag begleiten. Sie unterstützen mich unter anderem bei der Körperpflege, beim Einkaufen und bei meinem Hobby, dem Elektrorollstuhl-Hockey. So kann ich frei entscheiden, wie ich meinen Tag heute gestalte.
Egal ob ich heute Abend noch ins Theater gehen oder mit dem Bus meine Familie besuchen möchte, das kann ich spontan entscheiden, da meine Assistenten sich nach mir richten. Anders herum wäre es in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen: Dort müsste ich meinen Alltag wahrscheinlich nach den festgelegten Zeiten und Regeln ausrichten, da das Personal sich dort um viele Bewohner*innen kümmert.
Wie haben Sie das Persönlichen Budget beantragt?
Zuerst habe ich mich beim Verein „Mobile Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.“ beraten lassen. Dann habe ich einen Antrag bei meinem Kostenträger, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, gestellt. Nachdem mein Antrag bewilligt wurde, habe ich meine Suche nach Assistenzen gestartet.
Wie haben Sie Ihre Assistenzen gefunden?
Als aller erstes habe ich eine Stelleausschreibung geschrieben. Diese habe ich dann als Zeitungsanzeige veröffentlicht und in Supermärkten ausgehängt. Zusätzlich habe ich auf dieser Internetseite nach Assistenzen gesucht: www.assistenz.org
Mit einigen Bewerber*innen habe ich dann Gespräche geführt. Die Menschen, die in die engere Auswahl kamen, habe ich einen Tag zum Probearbeiten eingeladen.
So habe ich festgestellt, wer zu mir passt und wer nicht. Ich kann frei entscheiden, wen ich als Assistenz einstellen möchte und bin froh Menschen gefunden zu haben, denen ich vertraue und mit denen ich auf einer Wellenlänge bin.
Würden Sie anderen Menschen mit Behinderungen das Persönliche Budget empfehlen?
Auf alle Fälle würde ich das Persönliche Budget weiterempfehlen. Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene bietet es die Möglichkeit, den Weg zu einem eigenständigen und selbstbestimmten Leben zu gehen.
Ich kann selbst entscheiden, wie, wo und wann ich was möchte. Ob ich nachts in die Disco gehe oder nicht, das ist meine eigene Entscheidung.
Auch wenn es einige Hürden bis zur Beantragung des Persönlichen Budgets gibt und es ein längerer Prozess seien kann, der Weg lohnt sich und die Arbeit und Geduld sind es definitiv wert.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass man sich bei Ämtern und anderen öffentlichen Stellen nicht immer für seine Entscheidungen erklären muss. Außerdem sollten die Kostenträger, Krankenkassen und weitere Organisationen besser zusammenarbeiten.
Zu guter Letzt wünsche ich mir, dass das Persönliche Budget bekannter wird und mehr Menschen mit Behinderungen sich damit ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben erfüllen.