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„Es bräuchte eine zentrale Wissensplattform“

26.06.2023
Es stehen nebeneinander Stefan Palmowski, Prof. Dr. Claudia Kiessling, Dr. med. Jörg Stockmann, Claudia Middendorf und Bärbel Brünger

Der Arbeitskreis „Gesundheit und Gesundheitsversorgung“ der LAG Selbsthilfe NRW – Trägerverein des KSL.Münster – kommt regelmäßig zusammen, um sich zu den gesundheitlichen Belangen behinderter und chronisch erkrankter Menschen auszutauschen. Bei der letzten Sitzung wurden auch externe Gäst*innen zum Arbeitskreis geladen. Im Mittelpunkt stand die Kommunikation und der Umgang von Behandelnden mit behinderten Patient*innen. Dazu empfing Stefan Palmowski, Vorstandsmitglied der LAG Selbsthilfe NRW und Leiter des Arbeitskreises, Prof. Dr. Claudia Kiessling vom Lehrstuhl für die Ausbildung personaler und interpersonaler Kompetenzen im Gesundheitswesen der Universität Witten/Herdecke, Dr. med. Jörg Stockmann, Chefarzt für inklusive Medizin beim Evangelischen Krankenhaus Hagen-Haspe sowie Claudia Middendorf als Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung und Patient*innen in Nordrhein-Westfalen. Der Arbeitskreis tagte beim Verband der Ersatzkassen (vdek) in Dortmund, wo Bärbel Brünger (vdek) die LAG und ihre Gäst*innen begrüßen durfte (Foto von links).

Als Auftakt der Sitzung stellte Claudia Middendorf die kürzlich verabschiedete „Bad Nauheimer Erklärung“ vor. In dieser fordern die Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. mehr Anstrengungen für ein inklusives Gesundheits- und Pflegesystem.

Prof. Dr. Claudia Kiessling berichtete im Anschluss sehr eindrücklich über die wesentlichen Hürden für Behandelnde, im Klinikalltag vollumfänglich auf die Bedürfnisse behinderter Patient*innen einzugehen: Mangel an Ressourcen, fehlende bzw. wenig Verankerung des Themas im Studium, in Fort- und Weiterbildung der Mediziner*innen sowie Entwicklungen im Gesundheitssystem unter dem Stichwort „Ökonomisierung“. Das Impulsreferat von Dr. med. Jörg Stockmann knüpfte hier an. Unter dem Titel „Die Klinik für inklusive Medizin als best-practise-Beispiel – Einzellösung oder Modell für NRW?“ gab er in seinem Vortrag einen Einblick in den Alltag eines ambulanten medizinischen Zentrums für Erwachsene mit Behinderung. Er zeigte auf, wie sich die Medizin dort auf Patient*innen mit komplexer Behinderung und ihre individuellen Bedürfnisse in der Pflege, Diagnostik und Therapie einstellen kann.

Vom KSL.Münster nahm Oliver Schneider an der Sitzung des Arbeitskreises teil und berichtet: „Ich war erschrocken, wie getaktet der Kliniktag eines Arztes / einer Ärztin ist und wie wenig Zeit für den Kontakt mit den Patient*innen und Angehörigen bleibt. Für die Zukunft stellt sich die Frage, welche Antworten unsere Gesundheitsversorgung bietet, damit insbesondere Menschen mit Behinderung bedarfsgerecht und sicher versorgt werden können.“

Das Fazit aller Beteiligten des Arbeitskreises lautet in dieser Sitzung: Für die Zukunft bräuchte es eine Art „zentrale Wissensplattform“ für alle beteiligten Menschen des Gesundheitssystems. Dort könnten Dokumente und Informationsmaterial hinterlegt werden, z. B. auch zu konkreten Tipps und Wünschen, wie Behandler*innen besser auf die Bedürfnisse von Menschen mit verschiedenen Behinderungen und chronischen Erkrankungen eingehen können. Zudem wäre es wichtig, mehr Aufmerksamkeit für das Thema in der Öffentlichkeit und von Seiten der Politik zu schaffen – insbesondere mit Blick auf seltene und/oder nicht-sichtbare Einschränkungen.

Das Praxishandbuch „Vielfalt Pflegen“ der KSL.NRW könnte als ein Baustein auf einer solchen Wissensplattform platziert werden: Es ist ein kompaktes Nachschlagewerk für Pflegende, um Unsicherheiten bei der Kommunikation und Interaktion mit Menschen mit Behinderungen im Pflegealltag zu reduzieren. Es wird bereits in vielen Pflegefachschulen genutzt. Angehende Pflegende werden hiermit frühzeitig sensibilisiert und können ihr Wissen als Multiplikatoren auch in den Klinikalltag hineintragen", so Oliver Schneider.